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"Vertrauensleute machen Gute Arbeit"

Vertrauensleute-Konferenzen in Rheinland-Pfalz und im Saarland

Der Start für die neu gewählten Vertrauensleute (VL) im ver.di Fachbereich 10 (Postdienste, Speditionen, Logistik), der sollte Lust machen auf die Vertrauensleute-Arbeit: Miteinander in Kontakt kommen, die eigenen Rechte und Aufgaben kennen lernen und für die VL-Arbeit das nötige Handwerkszeug erhalten. Schnell rückten die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in den Fokus der Veranstaltungs-Konzeption: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer direkt da abzuholen, wo sie sind - bei ihren alltäglichen Erfahrungen im eigenen Betrieb. Die VL-Konferenzen sollten ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu Guter Arbeit werden. Doch wie lässt sich so eine Einbindung betrieblicher Erfahrungen in einer eintägigen Veranstaltung mit hoher Teilnehmerzahl realisieren? Und wie können die Ergebnisse solcher Veranstaltungen praktisch als Bausteine für Gute Arbeit genutzt werden?


Zu den einzelnen Kapiteln:
1. In unterschiedlichen Rollen am gleichen Strang ziehen
2. Methodische Herangehensweise
3. Die Konferenzen und ihre Ergebnisse
4. Weiterarbeit mit den Ergebnissen


 


1. In unterschiedlichen Rollen am gleichen Strang ziehen

 

Alle gemeinsam machen Gute Arbeit

Der ehrenamtliche Landesfachbereichsvorstand entschied sich, "Gute Arbeit" zum Leitfaden der VL-Veranstaltungen zu machen. "Es ist wichtig zu transportieren, wo wir als Gewerkschaft hin wollen. ver.di und die Betriebsräte sind schon lange aktiv gegen die zunehmenden Arbeitsbelastungen, für den Schutz der Beschäftigten. Darüber hinaus muss das positive Ziel deutlich werden", so Susanne Bleidt, die Vorstandsvorsitzende. "Arbeit könnte ja auch Spaß machen, so, dass man gerne hingeht. Wenn die Bedingungen stimmen! Da muss man erst wissen, was einem wichtig ist, das dann abgleichen mit dem, wie jetzt die Situation ist. Und anschließend gemeinsam Wege finden: Wie wir darauf hinarbeiten können, dass es sich in die richtige Richtung entwickelt", fügt Birgit Sperner, hauptamtliche Landesfachbereichsleiterin, hinzu.

Die Methodik des DGB-Index Gute Arbeit gibt genau das her: Die Beschäftigten selbst zu fragen, was für sie wichtig ist und gute Arbeitsbedingungen ausmacht. Es überrascht nicht, dass sich die Selbstauskünfte der Beschäftigten mit den Erkenntnissen der Arbeitswissenschaften decken: Wer täglich seine Arbeit erlebt, mit ihren Einschränkungen und ihren Möglichkeiten, der ist Experte bzw. Expertin für die eigene Arbeitssituation. Ein sehr gutes Werkzeug zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen sind deshalb Mitarbeiterbefragungen. Neben diesen gibt es aber eine Fülle weiterer Hebelpunkte. Eine besonders wichtige Funktion haben da genau die Vertrauensleute.

Die Vertrauensleute sind es, die die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten täglich erleben, die weiter kommunizieren können, was in den Betrieben Thema ist, was brennt, was notwendig ist. Dies erleben sie viel direkter und intensiver als die Betriebsräte. Auf der Grundlage der Informationen der VL können Interessenvertretung wie Gewerkschaft Handlungsschritte entwickeln, die geeignet sind, die Situation der Beschäftigten zu verbessern. Die Vertrauensleute wiederum müssen, um diese Aufgabe erfüllen zu können, die gesetzlichen Grundlagen für ihre Arbeit kennen, wissen, woher sie welche Unterstützung bekommen können und wer ihre Ansprechpartner sind. Die VL brauchen also die Hilfe ihrer Gewerkschaft. Und schließlich muss die Information auch zurückfließen: Die Vertrauensleute als zentrale Bindeglieder müssen an die Beschäftigten weitergeben, was für ihre Arbeitsbedingungen getan wird oder gemacht werden soll. Ein beständiger Informationsfluss von und an alle Beteiligten, gegenseitige Ergänzung und Unterstützung - das sind die Grundlagen für den Weg zur Guten Arbeit.

Mit der Klarheit über diese Zusammenhänge war der Veranstaltungstitel schnell gefunden: "Vertrauensleute machen Gute Arbeit". Damit fingen die weiteren Fragen aber erst an. Über 600 neu gewählte Vertrauensleute, ein Drittel davon erstmalig dabei - wie viele würden sich angesprochen fühlen, wie viele würden kommen? Haupt- und Ehrenamtliche stimmten sich immer wieder über Inhalte und Ablauf ab, um mit dem Angebot möglichst nah an den Bedarf und die Bedürfnisse der Vertrauensleute anzuschließen. Die Ergebnisse dieser Vorbereitungen wurden nicht einfach als zu verteilende Einladungen in die Betriebe hineingegeben. Auch die Betriebsgruppenvorstände wussten, was die gemeinsame Absicht war, konnten die VL vor Ort ansprechen, für die Veranstaltung interessieren und, weitere wichtige Voraussetzung, dafür sorgen, dass "ihre Leute" die notwendige Freistellung bekamen. Schon für Letzteres war teilweise ein hohes Engagement nötig. "Das gehört alles zusammen", sind sich Susanne Bleidt und Birgit Sperner einig, "solche Veranstaltungen lassen sich nur durch ein gutes gemeinsames Engagement und eine beständige Rückkopplung untereinander auf die Beine stellen."

Vernetzt, jedoch mit unterschiedlichen Hauptaufgaben: Lag bei den Ehrenamtlichen der Schwerpunkt darauf, die Veranstaltungen und den geplanten Inhalt bei denen bekannt zu machen, für die sie ausgerichtet wurden, so lag das Hauptgewicht für die Hauptamtlichen auf der Organisation und Koordination: beginnend damit, geeignete Räume für die drei absichtlich dezentralen Vertrauensleute-Konferenzen zu finden, über Absprachen zum methodischen Vorgehen, das Erstellen der Unterlagen bis hin dazu, dass ausreichend Moderationsmaterial vorhanden war. So etwas sind keineswegs Nebensächlichkeiten! Alle stimmten überein, dass es dabei nicht allein um ein möglichst reibungsloses Verlaufen der Veranstaltungen geht: Schön hergerichtete Räume, griffbereite Materialien, sichtbare Vorbereitung - das drückt eben auch Wertschätzung gegenüber den Teilnehmenden aus, macht deutlich: "Ihr seid wichtig!" Als Menschen allemal und als Vertrauensleute besonders wichtig, damit Arbeit "Gute Arbeit" wird.

Gemeinsam aktiv sein: Ohne dies hätten die VL-Konferenzen nicht gelingen können. Noch bei der Raumvorbereitung oder dem Führen der Anwesenheitslisten waren Viele bereit, ihren Teil beizutragen. Was dringend gebraucht wurde: Gekommen sind dann nämlich nahezu 350 Vertrauensleute.

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2. Methodische Herangehensweise

Ein "Puzzle" für gute Arbeitsbedingungen

Ein sich ergänzendes Miteinander: So sollten die Vertrauensleute-Konferenzen nicht allein von den Akteuren her, sondern auch inhaltlich und methodisch sein. Doch wie lässt sich das gestalten?

Anna Wirth, freiberufliche Trainerin und DGB-Index-Gute-Arbeit-Beraterin, machte den Vorschlag, sich auf ein "Puzzle" einzulassen. Sowohl bei den Veranstaltungsteilen, wie bei der Sammlung der Anliegen aus den Betrieben.

Zunächst sollten die Vertrauensleute auf der ver.di-Wandzeitung "Gute Arbeit, das heißt für mich..." durch Punkte bewerten, was ihnen besonders wichtig ist an ihren Arbeitsbedingungen. Diese konkreten Ergebnisse sollten dann die Grundlage für die jeweilige Veranstaltung liefern.

Nun war angesichts der erwarteten Teilnehmerzahlen wie des zeitlichen Rahmens klar, dass eine klassische Kartenabfrage nicht möglich sein würde. Wie ließen sich die konkreten Arbeitsbedingungen und die Anliegen der VL dennoch greifbar machen, einerseits für die Veranstaltung selbst, andererseits nutzbar für weitere betriebliche und gewerkschaftliche Aktivitäten? Die Lösung war ein "Puzzle" aus Waben-Moderationskarten, jeweils auf einer Moderationswand zu je einem der "Top"-Ergebnisse der vorherigen Wertungen auf den Wandzeitungen. Grüne Waben für das, was diesbezüglich (bereits) gut läuft, rote Waben für das, was schlecht läuft, wo die VL dringenden Handlungsbedarf sehen.

Damit sich damit weiter arbeiten lässt, sollte auf die Waben auch geschrieben werden, aus welcher Niederlassung bzw. welchem Beschäftigungsbereich - etwa Paketzustellung - die jeweilige Nennung kam. Personennamen brauchte es dafür nicht, dies ist für die Sichtbarmachung von Arbeitsbedingungen gar nicht notwendig. Wenn z. B. aus mehreren Briefverteilzentren gleiche Probleme berichtet werden, dann sind das eben nicht persönliche Sichtweisen, ist es nicht individuell Belastendes, wie so häufig unterstellt wird, sondern: schlechte Arbeitsbedingungen.

Wabe an Wabe gefügt ergab das ein "Puzzle", das wegen seines Aussehens den Namen "Bienenstock der Guten Arbeit" bekam. Abfotografieren würde man die vielen, erwartbar teilweise längeren Aussagen nicht können. So wurde schon im Vorfeld beschlossen, die Waben aufzukleben und die gesamten "Bienenstöcke" als Ergebnisse aus den Veranstaltungen mitzunehmen. In den Veranstaltungen selbst ermöglichte das "Puzzle" aus unterschiedlich farbigen Moderationskarten ein Erkennen der Arbeitsbedingungen auf einen Blick: Überwiegend grün, überwiegend rot, gemischt: Dies war zu sehen auch in einem großen Saal. Damit konnte weiter gearbeitet werden, ohne hunderte von Einzelnennungen auswerten oder vortragen zu müssen. Die Punktwertungen auf den ver.di-Wandzeitungen, die "Bienenstöcke" zu den am meisten gepunkteten Arbeitsbedingungen: Damit war der rote Faden für die jeweilige Veranstaltung greifbar gemacht.

Der gesamte Veranstaltungsablauf wiederum als "Puzzle" der einzelnen Teile? Dies meinte mehr als sich ergänzende Module, die gemeinsam ein rundes Bild machen.

Natürlich gab es vorbereitete Parts, so eine Powerpoint-Präsentation von Birgit Sperner zu den Rechten und Aufgaben der Vertrauensleute und den zwei Seiten der gleichen Medaille: dem Zusammenspiel von gesetzlicher und gewerkschaftlicher Interessenvertretung, eben auch der Vertrauensleute als Gewerkschaft im Betrieb. Es wurde informiert über die aktuellen Aktivitäten der Interessenvertretungen. Und es gab einen Infoblock zu den betrieblichen Sozialleistungen der Deutschen Post von Helga Thiel, Gesamtbetriebsrat, bzw. Alexander Blumrich, stellvertretender Fachbereichsvorsitzender.

Die Anliegen der Vertrauensleute als roter Faden, das bedeutete dann, dass daran immer wieder angeknüpft wurde. Manches steckte im Vorbereiteten: Die Sozialleistungen etwa, so zeigten die Waben, das war wichtig. Anderes musste im Dialog geklärt werden, da kam es schon vor, dass sich neue Teile während der Veranstaltung ergaben. Besonders deshalb, weil es konkrete Fragen an die Interessenvertretungen gab.

Die konkret erst in der Konferenz geäußerten Anliegen der Vertrauensleute zum roten Faden eben dieser Veranstaltung machen? Bei aller guten Vorbereitung war damit klar, dass eine solche ergebnisoffene Herangehensweise auch eine Herausforderung sein würde. Aber nur so geht es um die ganz realen Arbeitsbedingungen und Bewertungen der Teilnehmenden. Und genau darum sollte es gehen! Gute Arbeit kann nicht verordnet werden. Die Konferenzen sollten eben Schritte auf dem Weg zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen werden und nicht ein Einschwören auf zuvor festgelegte Marschrichtungen. "Methodisch ist das noch einen Schritt weiter als das bekannte ‚die Menschen da abholen, wo sie sind", so Anna Wirth. "Wir müssen uns dahin bewegen, wo die Leute sind. Dieses Unplanbare ist bereits bei der Veranstaltungskonzeption einzubauen."

Dies vorweg: Es ist gut gelaufen, keineswegs chaotisch, aber sehr lebendig strukturiert. Angesichts der großen Teilnehmerzahlen und des ergebnisoffenen Ablaufs war es dem einen oder der anderen schon vor den konkreten Terminen etwas mulmig. Das gehört dazu, wenn man Neuland betritt. Zum Erfolg hat neben der guten Vorbereitung, engagierten Zusammenarbeit und intensiven Kommunikation noch etwas wesentlich beigetragen: das Vertrauen untereinander. Alle gemeinsam machen diese Veranstaltungen, jede und jeder ist im Thema drin, wenn auch mit ganz unterschiedlichen Schwerpunkten und Hintergründen. Was auch immer spontan kommen würde: Es würde immer jemand da sein, der es aufgreifen könnte und dies dann tun würde.

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3. Die Konferenzen und ihre Ergebnisse

Menschen und Arbeitsbedingungen im Zentrum - die Konferenzen leben, was sie bewegen möchten

Die Gute Arbeit, die begann bei den Vertrauensleute-Konferenzen mit dem Betreten des Raums: Freundlich lachende Punkte-Sonnen und ebenso gut gelaunte Helfer und Helferinnen luden dazu ein, die eigene Meinung kund zu tun: Was den VL besonders wichtig sei, damit Arbeit "Gute Arbeit" ist. Fünf Punkte hatte jede und jeder für die Bewertung auf der ver.di-Wandzeitung. Damit war bereits im Vorfeld klar: Es musste eine Auswahl getroffen werden, so würden die Topthemen deutlich.

Auch der Raum selbst, seine Aufteilung und die Sitzordnung waren bereit für Gute Arbeit im Sinne der Veranstaltungskonzeption: für ein sich ergänzendes Miteinander. Hinten wie vorne gleichermaßen Präsentations- und Aktionsfläche - damit gab es kein Zentrum außerhalb der Vertrauensleute, nach dem sich alle ausrichteten. Nichts, von wo aus frontal die Veranstaltung gemacht wurde. Die Raumaufteilung unterstützte damit den angestrebten Perspektivenwechsel. Tatsächlich traten mehrfach alle drei Bereiche in Kommunikation zueinander. Und der Kernbereich, die Vertrauensleute? Sie saßen an mehreren Tischreihen sich gegenseitig zugewandt (Bankett-Form, allerdings absichtlich ohne Podium). Dies machte einen intensiven Austausch untereinander möglich: Besonders beim Schreiben der Waben wurde das rege genutzt.

Nach der Begrüßung ging es zunächst an die Präsentation und Diskussion der Ergebnisse auf den Wandzeitungen. Das gemeinsame Miteinander spiegelte sich in der Dialogform wieder. Was der DGB-Index ist, was die ver.di-Strategie für Gute Arbeit, wie die 15 Dimensionen der Arbeitsqualität aus Sicht der Beschäftigten zustande kamen oder auch, was Belastungen sind: Dies wurde im Gespräch mit den Vertrauensleuten zusammen entwickelt. Immer mit Rückverweisen auf deren eigene Punktwertungen auf den Wandzeitungen.

In allen drei Konferenzen waren die vier Topthemen (die am meisten gepunkteten Dimensionen Guter Arbeit) für die VL die gleichen:

  • ein festes, verlässliches Einkommen
  • ein unbefristetes Arbeitsverhältnis
  • bei der Arbeit als Person respektvoll behandelt werden
  • ausreichend Zeit, um meine Arbeit gut zu machen
  • sowie bei einer Konferenz noch zusätzlich durch gleichen Punktestand: dass gegenseitige Hilfe und kollegiale Zusammenarbeit gefördert wird.

Schon diese Übereinstimmung der Ergebnisse sagt an sich viel aus: Waren hier doch Beschäftigte aus Betrieben in zwei Bundesländern und aus unterschiedlichen Arbeitsbereichen v. a. der Deutschen Post zusammengekommen. Ohne andere Arbeitsbedingungen als unwichtig für Gute Arbeit einzustufen, war damit deutlich sichtbar, wo für die Beschäftigten die Schwerpunkte liegen.

Der lebhafte "Multilog", das Sprechen aller miteinander, in dessen Zentrum die konkreten Arbeitsbedingungen in den Betrieben standen, leitete über zu der Aufgabe, zu jenen vier (bzw. einmal fünf) Topthemen je nach realer Situation grüne oder rote Waben auszufüllen. Manche begannen gleich zu schreiben, die meisten tauschten sich zunächst in Gruppen aus. Dann wurden die Bienenstöcke aus den Waben zusammengepuzzelt. Teilweise war kein Durchkommen, so Viele hatten Waben anzukleben - zugleich setze das Lesen der bereits hängenden Waben ein und das Abgleichen mit den eigenen Arbeitsbedingungen. Dies sollte den Rest des Tages so bleiben: In jeder Pause bildeten sich vor den Moderationswänden mit den Bienenstöcken Diskussionsgruppen.

Nach Beendigung dieser Sammelphase machten die Farbverteilungen deutlich, wie die Hauptgewichte liegen, Redebeiträge der Vertrauensleute unterstützten dies.

Einkommen und Sicherheit des Arbeitsplatzes erhielten überwiegend grüne Karten. Ohne diese Basis sei Gute Arbeit nicht denkbar! Dies sei etwas, was man der Gewerkschaft zu verdanken habe. Kritisch gesehen wurden befristete Verträge, Stundenverträge und Abrufkräfte sowie die Nichtübernahme von Azubis. Angesichts der aktuellen Entwicklungen u. a. beim Postmindestlohn wurde mehrfach hinterfragt, wie lange diese wichtige Grundlage ‚ausreichendes Einkommen‘ und ‚gesicherter Arbeitsplatz‘ selbst für die, die beides heute haben, noch bestehen würde.

Überwiegend rote Waben: der respektvolle Umgang mit den Beschäftigten. "Man wird nur als Nummer gesehen", "wie Arbeitsmaterial behandelt". Schlechtes Führungsverhalten im Arbeitsalltag und besonders bei den Beurteilungsgesprächen. Einschüchterungsversuche gegenüber befristet Beschäftigten. Abwertung auch z. B. durch schlecht funktionierende, nicht gewartete Arbeitsmittel oder Arbeitsplätze in zugiger Umgebung. Was Arbeitswissenschaftler eher der Gestaltung des Arbeitsplatzes zurechnen würden, sahen nicht wenige Vertrauensleute als Ausdruck von Respektlosigkeit: "ich Chef, du nix". Das sei dann keine Frage von Höflichkeit, sondern krankmachend. Das Grundgesetz, Artikel 1: "Die Würde des Menschen ist unantastbar" - im Betrieb gelte das eher nicht. Die grünen Waben dieser Bienenstöcke zielten hingegen auf das respektvolle Miteinander unter Kolleginnen und Kollegen.

Fast ausschließlich rote Waben: ausreichend Zeit, um meine Arbeit gut zu machen. Waben wie Redebeiträge zeigten: Vor allem macht die Arbeitsverdichtung den Beschäftigten zu schaffen, aber auch die Nichtplanbarkeit bzw. häufige Streichung ihrer freien Tage wurde als großes Problem genannt.

Diese Arbeitsverdichtung hat unterschiedliche Ausprägungen je nach Tätigkeitsbereich: zu große Zustellbezirke, zu hohe Zustellmengen, fehlende Ersatzwagen, nicht ausreichend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, erst recht nicht bei Krankheitsfällen oder in der Urlaubszeit, Vertriebsdruck im Filialbetrieb, fehlerhafte Betriebsmittel u. a. m. Genannte Ursachen dafür: Wirklichkeitsferne Bemessungen, dies vor allem, außerdem schlechte Organisation.

In den Postfabriken, den Sortier- und Verteilzentren für den Briefverkehr, geben die Maschinen den Takt an. Was das heißt, schilderte eine Vertrauensfrau: "Ich bin schon länger allein an der Maschine. Nacht für Nacht renne ich von vorne nach hinten, renne wieder zurück. Renne wieder für den nächsten Arbeitsschritt. Lange ist das nicht durchzuhalten." Dieses Rennen: Als seien die Beschäftigten selbst die einzige Stellschraube in den Arbeitsprozessen. Da rennen auch die Briefzusteller in immer größeren Bezirken, und ebenso die Paketzusteller, vom Auto zu den Häusern, Treppen hoch, Treppen runter, oft mit schweren Lasten, und dann gleich wieder zurück und weiterfahren. Arbeitsverdichtung, egal wie sie daherkommt, macht krank: "Man steht ständig unter Strom", "nach der Arbeit ist man fix und fertig" oder "immer Hauruck und Stress machen krank, wer hält das durch bis 67?"

Die eindringliche Beschreibung der eigenen Arbeitsbedingungen, der gemeinsame Austausch darüber, die Verknüpfung mit arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen - bereits dies tat gut, doch dabei sollte es nicht bleiben. Es folgte die Frage nach den Handlungs- und Veränderungsmöglichkeiten - je roter ein Bienenstock, umso drängender.

Bei den Briefzustellern, die hier als Beispiel herausgegriffen seien, ging es schnell darum, wie sich diese nicht ausreichende Zeit belegen ließe. Der Zustellbezirk ist zu groß - wieso? Messbar ist das nur an der Arbeitszeit. Doch gerade diesbezüglich gibt es Kontroversen. Einerseits existiert ein Rahmendienstplan mit gesetztem Dienstanfang und -ende, der nicht kontrolliert wird, andererseits räumt eine Betriebsvereinbarung die Möglichkeit ein, in eine Erfassung der realen Arbeitszeiten zu gehen, in die sogenannte IST-Zeit. Damit würde dann aber klar, wie lange die Arbeit tatsächlich dauert. Nur so kann gezeigt werden, dass die Zeit nicht ausreichend, die Bemessung unrealistisch ist - da waren sich die Vertrauensleute einig. Die anwesenden Betriebsrätinnen und -räte machten deutlich, dass die Mitbestimmung nur greifen kann, wenn belegte Arbeitszeiten vorliegen.

Der Weg zu besseren Arbeitsbedingungen ist damit ja "eigentlich" klar vorgezeichnet, die Realität in den meisten Zustellstützpunkten sieht jedoch anders aus, dort sind die wenigsten Beschäftigten in der IST-Zeit. "Die Zusteller beschweren sich über die wachsenden Belastungen durch immer größere Zustellbezirke und wachsende Aufgaben wie etwa zusätzliche Prospektverteilung. Aber dann gehen sie nicht in die Zeiterfassung, kommen dafür schon mehr als eine Stunde vor Arbeitsbeginn und rennen sich dann den Herzbändel ab, ohne Pause zu machen," so die BR-Vorsitzende eines Briefzentrums. Damit enttarnt sich zugleich, dass der vermeintliche Nutzen des Rahmendienstplans - früher gehen können, wenn früher fertig - selbst rechnerisch nicht gegeben ist: früher als gesetzter Arbeitsbeginn anfangen, Zustellung im Sauseschritt, keine Pausen? Eine zeitliche Milchmädchenrechnung, dass damit etwas gewonnen sei! Gesundheitlich erst recht nicht, das kann niemand bis zum regulären Renteneintritt durchhalten. Kommt noch hinzu, dass damit eine weitere Verschlechterung der Arbeitsbedingungen vorprogrammiert ist: Der Arbeitgeber vergrößert die Zustellbezirke. Die Zustellung funktioniert weiterhin, Personalkosten sind eingespart. Es folgt: Zustellbezirke und -mengen werden erneut vergrößert. Ohne Arbeitszeiterfassung eine Abwärtsspirale zu Ungunsten der Beschäftigten.

Das Beispiel zeigt, wie vielschichtig die Entwicklung hin zu Guter Arbeit ist. Am besten gelingt es, wenn alle gemeinsam dafür aktiv sind. Und wenn Arbeitgeber ihrer Fürsorgepflicht nicht nachkommen, müssen Interessenvertretungen, Vertrauensleute, Beschäftigte und Gewerkschaft an einem Strang ziehen.

Instantlösungen gibt es da nicht. Auf den Vertrauensleute-Konferenzen gingen die Diskussionen noch bis nach Veranstaltungsende weiter. Die durchaus auch selbstkritische Auseinandersetzung mit den eigenen Arbeitsbedingungen war ein guter Anstoß für Gute Arbeit. Wesentlich dafür war, dass das täglich Selbsterlebte den Ausgangspunkt für alles Weitere darstellte. Wie wichtig das den Anwesenden war, merkte man daran, wie aufmerksam sie einander zuhörten. Erst bei der letzten der drei Veranstaltungen (mit 150 Teilnehmenden in einem großen Kongress-Saal) wurde ein Saalmikrofon gebraucht, einfach weil der Raum so groß war. Zuvor hatten selbst 100 Teilnehmende einander zugehört, nachgehakt, nachgefragt. Aufmerksamkeit ist Respekt vor den anderen - die Konferenzen jedenfalls waren Gute Arbeit.

Mit Harmoniegedusel darf das nicht verwechselt werden: Betriebsräte und Gewerkschaft hatten sich auch kritischen Fragen zu stellen, umgekehrt kamen von ihnen schon mal deutliche Worte, etwa bezüglich der heiklen Arbeitszeiterfassung. Offen miteinander umgehen, sich ergebnisoffen in einen Prozess begeben: Das schließt ein, kritikfähig zu sein.

Dieser offene Dialog aller miteinander, das Anknüpfen an die Ergebnisse der Bienenstöcke, dies prägte dann den weiteren Verlauf der Konferenzen, bei den Vorträgen, die mehr als einmal zum Gespräch wurden. Ein sich gegenseitig ergänzendes Miteinander: Es war gelungen. Lachend hatte der Tag begonnen, mit lachenden Zurufen hörte er auf. Die nun gemeinsam konkretisierte Idee der Guten Arbeit, die wurde in die Betriebe mitgenommen.

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4. Weiterarbeit mit den Ergebnissen

Es geht weiter – was denn sonst!

Verbesserung der Arbeitsbedingungen, während diese sich parallel durch Arbeitgebervorgaben in den Betrieben sogar verschlechtern - sicherlich keine leicht und schon gar nicht kurzfristig zu erfüllende Aufgabe. Die Vertrauensleute-Konferenzen haben das Band des gemeinsam vernetzten und sich gegenseitig ergänzenden Miteinanders für Gute Arbeit fester geknüpft.

Die "Bienenstöcke", die Waben-Puzzle der konkreten Arbeitsbedingungen und Anliegen, wurden wie Schätze ins ver.di-Büro getragen und Wabe für Wabe abgeschrieben. Sie stehen nun, noch dazu sortierbar nach Betrieb bzw. Beschäftigungsbereich, als Arbeitsgrundlage zur Verfügung - gleichermaßen für die Interessenvertretungen wie für den ver.di-Fachbereich Postdienste, Speditionen und Logistik.

Ein Betriebsrat, deutlich entsetzt über die Ergebnisse aus dem eigenen Briefzentrum zum Top-Thema "bei der Arbeit als Person respektvoll behandelt werden" hat die Ergebnisse bereits der Niederlassungsleitung vorgelegt. "Das kann ja wohl nicht angehen, dass Führungskräfte die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abwertend behandeln!" Die Niederlassungsleitung sah das genauso und will das Führungsverhalten auf die eigene Agenda setzen. "Das ist in einer für die Beschäftigten positiven Art aufgenommen worden," so der BR-Vorsitzende, "man muss jetzt genau schauen, was weiter passiert. Das hängt ja nicht allein von der Niederlassungsleitung ab, sondern auch von den Konzernvorgaben." Und weil vom Hinschauen nichts passiert, geht es gleich weiter mit der Umsetzung: Bei den direkt anstehenden Betriebsversammlungen werden die Ergebnisse der VL-Konferenzen ein zentraler Punkt sein. "Das ist Thema für alle Beschäftigten und nicht allein ein Arbeitsvorhaben von Interessenvertretung und Niederlassungsleitung."

In einem anderen Briefzentrum hat eine Vertrauensfrau, gestärkt durch die Erfahrungen auf der VL-Konferenz, ihre Aufgabe als Bindeglied für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen beherzt angegangen. Sie suchte das Gespräch mit ihrer direkten Vorgesetzten wegen deren abwertendem Umgang mit den Beschäftigten in Stress-Situationen. Für dieses ebenso offene wie vertrauliche Gespräch zog die Vertrauensfrau den Betriebsrat hinzu. Ergebnis hier: Das Erkennen des problematischen Verhaltens, die Führungskraft wird nun eine Schulung für die Verbesserung der sozialen Kompetenz besuchen.

Weiter geht der Prozess hin zu Guter Arbeit auch durch die nun intensivierten Diskussionen in den Betrieben, besonders jene um die Arbeitzeitregelungen, die Bemessungsgrundlagen und eben die Erfassung der eigenen Arbeitszeiten.

Weiter, so war es von Anfang an geplant, bleibt die Gute Arbeit zentrales Thema im Fachbereich 10 Rheinland-Pfalz und Saarland. Ob in den Gremiensitzungen, den nun folgenden Mitgliederversammlungen und -konferenzen für die Organisationswahlen in ver.di oder anderen Veranstaltungen.

Um das Schlusswort der letzten Vertrauensleute-Konferenz aufzugreifen: "Sicherlich ist all das, was wir heute zusammen getragen haben, weder leicht, noch schnell zu lösen. Aber gemeinsam schaffen wir das, Stück für Stück. Und wenn dann alle oder die meisten Waben grün sind, dann treffen wir uns in zehn Jahren zum Sommerfest der Guten Arbeit!"

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