Zum Inhalt
Zur Startseite von Gute Arbeit: die ver.di Initiative
Definition aus dem Wiki-Gute-Arbeit:
Keine genauere Erläuterung
Für weitere Informationen klicken Sie bitte auf den Begriff

Gute Arbeit kannst Du wählen

Mitarbeiter/-innen-Befragung bei der Deutschen Telekom Netzproduktion Infrastruktur Niederlassung Hamburg
Der Betriebsrat und die Vertrauensleute der Deutschen Telekom Netzproduktion Infrastruktur Niederlassung Hamburg, ein Betrieb mit cicra 1200 Beschäftigten in Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen, haben für ihre gewerkschaftliche Arbeit den DGB- Index Gute Arbeit herangezogen und eine breit gefächerte Mitarbeiter/-inne-Befragung vorgenommen.

PUBLIK sprach mit Manfred Becker, freigestelltes Mitglied des Betriebsrates, und Michael Sadowski, dem Sprecher der Vertrauensleute.
ver.di PUBLIK- Wir kamt Ihr auf die Idee zu dieser Befragung?

MANFRED- Nach den letzten BR- Wahlen 2006 war uns klar, dass wir einen neuen Ansatz für unsere Arbeit brauchten, da unser Einfluss auf die Beschäftigungsentwicklung im Betrieb immer weiter zurückgegangen war, seit im Unternehmen die alte Personalbemessung durch die Festlegung von Personalbudgets abgelöst wurde. Kurz: Wir brauchten einen anderen Hebel, um Interessen der Kollegen und Kolleginnen wieder erfolgreicher vertreten zu können. Da war es eine glückliche Fügung, dass uns im Frühjahr 2006 auf einer Tagung der DGB- Index GUTE ARBEIT vorgestellt wurde. Für uns war das die alte Idee der Humanisierung der Arbeit im neuen Gewand mit all ihren Möglichkeiten der betriebsrätlichen Mitbestimmung zum Arbeits- und Gesundheitsschutz.

ver.di PUBLIK- Und dann habt Ihr gleich mit der Befragung losgelegt?

MICHAEL- Mal sachte! Wir mussten uns erst einmal mit dem neuen Instrument und seinen Möglichkeiten vertraut machen. Dabei haben uns die Kollegen vom DGB- Index GUTE ARBEIT mit Ralf Stuth sowie des Bereichs Innovation und Gute Arbeit mit Hans- Joachim Schulz sehr geholfen. Klar war: Wir brauchen einen langen Atem und wir müssen möglichst alle mitnehmen.

ver.di PUBLIK- Wie ist das gelungen?

MANFRED- Der Schlüssel war eine Betriebsversammlung 2008, auf die wir heute noch stolz sind. Wir haben das CCH zu einem Theater umfunktioniert und kleine Szenen auf die Bühne gebracht, in denen wir den Kollegen und Kolleginnen ihre Alltagserfahrungen mit all den Widrigkeiten und Belastungen gespiegelt haben. Grundidee war das Lied "10 kleine Negerlein", das den Personlabbau nach der Vorgabe einer erneuten Personalminderung von 250 "Personaleinheiten" ins Bild setzte: Arbeit ohne Ende, aber immer mehr Kolleginnen und Kollegen aus dem Theaterbüro verschwanden. Ein Kollege bekam einen Stahlhelm aufgesetzt und wurde zum neuen Arbeitgeber Bundeswehr verabschiedet; eine Kollegin erhiet von ihrem Chef zeitgleich einen Blumenstrauß um 55. Geburtstag und den Abschiedsbrief in die vorgezogene Pension, zum Schluss blieb eine Kollegin allein im Büro, deren Herzschlag am Ende eingespielt wurde, erst ruhig, dann mit steigender Arbeitsbelastung immer hektischer und schneller, bis er verstummte und nur noch das nervtötende durchgezogene Signal zu hören war, wie wenn ein Herz auf dem Monitor am Krankenbett aufgehört hat zu schlagen. Die Kollegin rutschte vom Stuhl, und das Blaulicht des Sankas flackerte gespenstisch über die leere Bühne und verdunkelte den Saal.

ver.di PUBLIK- Und dann?

MICHAEL- Die anschließende Umfrage orientierte sich am DGB- Index GUTE ARBEIT. Wir haben sie ausdifferenziert für die verschiedenen Ressorts, Betriebsstellen erfasst und nach Kriterien wie Alter, Führungsfunktion und Tätigkeitsarten wie Monteure/ Technicker, Verwaltung/ Support, Referenten/ Ingenieure ausgewertet. An der Rücklaufquote von 67 Prozent haben wir gemerkt, wir sehr wir die Kolleginnen und Kollegen für das Thema haben sensibilisieren können.

ver.di PUBLIK- Was habt Ihr mit dem Ergebnis gemacht?

MANFRED- Wir haben mit dem Arbeitgeber zusammen eine Projektgruppe gebildet und dort Themenfelder zur Bearbeitung abgesteckt, die der Betriebsrat auch gut beeinflussen kann. Der Rahmen dafür war auf ein Jahr angelegt. Herausgekommen sind bis jetzt zwei neue Betriebsvereinbarungen: Die eine regelt das betriebliche Eingliederungsmanagement nach § 84 SGB IX neu, die andere das Verfahren zur Einrichtung und Ausstattung von Arbeitsstätten und -plätzen, wobei die Beteiligung der betroffenenen Kolleginnen und Kollegen zwingend vorgeschrieben ist.

ver.di PUBLIK- Was hat sich in der betriebsrätlichen Arbeit geändert?

MICHAEL- Die Bereitschaft unserer Geschäftsführung zu gemeinsamen Projekten und Problemlösungen ist deutlich gestiegen. Ein Beispiel ist die Einrichtung eines funktionierenden Gesundheitszirkels in unserer Lübecker Betriebsstelle. Wir haben auch festgestellt, dass unsere Geschäftsführung seither etwas sensibler mit den konkreten Problemen und Nöten der Beschäftigten am Arbeitsplatz umgeht. Schließlich ist auch unser Rückhalt in der Belegschaft größer geworden, wie die Antwort auf die entsprechenden Fragen in der Erhebung zeigen: 64,6 Prozent haben ein sehr hohes Vertrauen oder hohes Vertrauen in den Betriebsrat, nur 5 Prozemt sind mit seiner Arbeit ganz und gar unzufrieden.


(Das Interview erschien in VER.DI PUBLIK 03/ März 2010)

Druckversion