"Das Ganze ist einfach, systematisch und es funktioniert"

Personalplanung und interne Stellenbesetzung in einem Großklinikum

Beschäftigte: ca. 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter; Initiator: Personalstelle und Betriebsrat
Eine alter(n)sgerechte Gestaltung der Arbeit braucht Möglichkeiten für die Beschäftigten, sich im Verlauf ihres Erwerbslebens weiter entwickeln zu können. Darüber hinaus ergeben sich Änderungswünsche bezüglich Arbeitsinhalten und individueller Arbeitszeit auch aus den sich im Lauf des Lebens ändernden Umständen und Bedürfnissen. Dazu zählt nicht allein die Vereinbarkeit von Beruf und Familie (Kinderbetreuung und Pflege), Ursachen für Änderungsabsichten können auch längere Qualifizierungsphasen sein, Umzüge, geänderte Familienverhältnisse oder auch das Älterwerden selbst. Wie kann ein Betrieb dieser Fülle von Einzelwünschen gerecht werden? Wie kann man überhaupt mit einer so komplexen, sich beständig ändernden betrieblichen Situation zielgerichtet umgehen?

Einfach nur ein Gespräch...

Bis vor fünf Jahren gab es kein systematisches Vorgehen bei internen Versetzungen. Versetzungswünsche der Mitarbeiter gingen an die jeweiligen Vorgesetzten. "Da blieben sie dann auch oft. In der Schublade. Viel hing davon ab, was der Vorgesetzte wollte - jemand hergeben oder behalten. Und wer mit wem konnte: Verstanden sich zwei Führungskräfte gut, dann haben sie auch eher einen Austausch von Personal zwischen ihren Abteilungen zugelassen. Das war nach Gutsherrenart."*1 Diese Strukturlosigkeit wirkte sich auf alle aus: Die Mitarbeiter wussten nicht so recht, was mit ihren Versetzungswünschen passiert. Was sie erwarten können für ihre berufliche und persönliche Lebensplanung. Viel Abhängigkeit von Willkür. Die Personalstelle wiederum hatte keinen Überblick. Wenn eine Stelle zu besetzen war, ging die Suche los: "Wer könnte da hin wollen? Interne Stellenausschreibungen bringen ja oft nicht weiter. Also hing viel vom Zufall ab, ob du beim letzten Betriebsausflug mit jemand beim Wein länger gesprochen hast und wusstest: Der würde gerne." Ein permanentes Reagieren, wenn etwas eingetreten ist, und dann nachbessern.

Als es einen Wechsel in einer Führungsposition gab, haben Betriebsrat und Personalstelle über die Gesamtsituation gesprochen. "In einem dieser Gespräche kamen wir dann auf die Idee für das jetzige Vorgehen." Weil Versetzung immer auch Auswahlverfahren und damit Mitbestimmung betrifft, ging der Vorschlag an den Betriebsrat. Der hat das Verfahren diskutiert und zugestimmt. "Danach haben wir dann gemacht."

...und dann machen

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden über die üblichen Wege wie z. B. die Betriebsratszeitung informiert, dass alle Versetzungswünsche oder Änderungswünsche bezüglich der individuellen Arbeitszeit ab sofort als Anträge zentral bei der Personalstelle einzureichen sind.

Bei jedem Antrag wird einheitlich und in Form einer ständig aktualisierten Excel-Tabelle erfasst: Unter Bemerkungen steht ganz Unterschiedliches: Manchmal nur "Umzug" (das Klinikum hat Standorte in verschiedenen Städten) oder "Sicherung der Kinderbetreuung". Manchen ist egal, in welche Abteilung sie kommen, nur wichtig, dass es "ohne Schichtdienst" ist. Andere arbeiten derzeit in einem anderen als dem gelernten Beruf, "die wollen dann wieder als Arzthelferin arbeiten". Es müssen auch gar keine Gründe genannt werden (‚Bemerkungen’ ist kein Pflichtfeld). Viele wollen einfach die Abteilung wechseln: "Nach 10 Jahren in der Urologie wollen die dann in die Chirurgie oder umgekehrt. Einfach was anderes machen, sich weiter entwickeln."

Einmal in der Woche treffen sich ein Vertreter der Personalstelle, ein Vertreter des Betriebsrates und die Pflegedirektion - ihr unterstehen mehr als 50 Prozent der Beschäftigten. "Dann schauen wir über das Ganze drüber. Gleichen die verschiedenen Wünsche gegeneinander ab. Überlegen, was wie gehen könnte."

Neben der Änderungsanträge-Tabelle liegen als weitere Daten vor: der Stellenplan, die Fluktuationsdaten (Mutterschutz, Elternzeit, Austritte wegen Rente oder aus anderen Gründen) und der Personalbericht u. a. mit der Entwicklung nach Berufs- und Altersgruppen.

Ein allgemeines Ranking für Versetzungs- und Änderungswünsche - etwa, dass Umzug generell wichtiger wäre als Qualifizierung - gibt es nicht. Primär hängt das Vorgehen von den Möglichkeiten, vom Machbaren ab.

"Die Lösungen sind immer von den konkreten Einzelsituationen abhängig. Da sieht man dann, dass jemand aus Abteilung B in Abteilung C oder D will. In C wird eine Vollzeitstelle demnächst frei, aber der mit dem Wechselwunsch hat nur eine 0,75 Stelle. Dann muss man weiter alles durchschauen: Ist da jemand, der auf 0,25 will, z. B. weil sie studieren will. Da passt das dann."

Der Betriebsrat ist jederzeit Ansprechpartner für die Mitarbeiter und kennt die Anliegen damit wesentlich umfangreicher, als Stichworte unter 'Bemerkungen' es wiedergeben könnten. Hier spielen dann auch die Eigenaktivitäten der Mitarbeiter eine Rolle: Manchen ist es nicht wichtig, wie schnell eine Versetzung erfolgt. Andere haben einen drängenden Grund und sprechen mit dem Betriebsrat. In dem wöchentlichen Treffen ist der Betriebsrat dann ebenso "Anwalt der Betroffenen" wie "sachlicher Beobachter", der auf Gleichbehandlung achtet. Dies ist durch die Gesamtschau auf alle Veränderungswünsche und das Zusammenkommen der unterschiedlichen Perspektiven auch leichter möglich, als wenn nur Einzelfälle bekannt bzw. in der Diskussion wären.

Ist eine Lösung gefunden, werden die betroffenen Stationsleitungen um Stellungnahme gebeten. "Wenn die dann "ja" sagen, werden sie darauf auch verpflichtet. Das muss dann auch funktionieren." Sind diese Voraussetzungen geklärt, dann werden die jeweiligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angesprochen. Stimmen sie der gefundenen Lösung zu, geht es an den Betriebsrat. Danach wird versetzt.

Nein, nicht immer findet sich auf Anhieb Passendes. "Das ist aber auch nicht der Punkt. Wir treffen uns regelmäßig einmal pro Woche, auch wenn nichts Neues oder Aktuelles ansteht. Das ist ein Jour fixe: Wöchentlich schauen wir einmal auf die gesamte Personalsituation." Durch diese Herangehensweise ist Personalplanung kontinuierlich ein zentrales Thema. Und: Diese findet nicht allein auf einer eher abstrakten Ebene statt, sondern verbindet Stellenplan und Personalkennzahlen mit den Wünschen und Bedarfen der Mitarbeiter.

Von diesem System der internen Stellenbesetzung sind Versetzungen aus gesundheitlichen Gründen ausgeschlossen: Diese haben immer Vorrang. Dazu gehören Fälle aus dem Betrieblichen Eingliederungsmanagement ebenso wie Stellenwechsel, die z. B. wegen einer Allergie notwendig sind. Das Wissen um die klinikweiten Versetzungswünsche erleichtert es aber auch bei gesundheitlichen Gründen, eine passende Stelle (schneller) zu finden.

Leitende oder stellvertretende Leitungsfunktionen werden ebenfalls nicht über dieses System besetzt, sondern generell intern ausgeschrieben. Manchmal liegen auch keine Anträge vor, die direkt oder durch den Abgleich aller Anträge untereinander zur Stellenbesetzung führen, auch dann wird ausgeschrieben.

"Sehen wir, dass eine Stelle nach Stellenplan demnächst frei wird, dann ist das Vorgehen immer: Erst die mit gesundheitlichen Gründen, dann die Änderungsanträge, dann interne Ausschreibung. Erst danach suchen wir extern."

Umgekehrt kann es natürlich auch sein, dass sich länger keine zu einem Antrag passende Stelle findet - im Ausnahmefall kann es auch mal 2 Jahre dauern, bis eine Versetzung möglich ist. Aber: Anträge werden nicht gestrichen, es gibt "kein Verfalldatum". Konnte für einen Veränderungswunsch schon länger keine Lösung gefunden werden, wird nachgefragt, ob der Mitarbeiterwunsch weiterhin besteht. In die wöchentliche Betrachtung kommt so ein Antrag jedoch genauso wie einer, der zwei Tage vorher gestellt wurde.

Das Vorgehen ist Woche für Woche gleich. Unabhängig davon, ob etwas in der Zwischenzeit passiert ist oder nicht. Auch unabhängig davon, ob in der vergangenen Woche neue Anträge eingegangen sind. Immer wird nach dem gleichen Muster an die gesamte Personalsituation herangegangen und an die unterschiedlichen Einzelfälle. Es sind alles Einzelfälle: Hinter jedem Antrag steht ein Mensch mit seiner individuellen Lebenssituation und seinen individuellen Wünschen.

Das frühere "Hin- und Hereiern" war ein größerer Zeitaufwand als das strukturierte Vorgehen, auch wenn es ein wöchentliches Treffen ist. Überzeugend ist auch das Ergebnis: Über 50% aller Versetzungswünsche können innerhalb eines Jahres erfüllt werden. "Das Ganze ist einfach, systematisch und es funktioniert."

Gut für alle Beteiligten

Das neue Vorgehen ist bei den Beschäftigten sehr schnell angekommen. Sie haben sich ernst genommen gefühlt und konnten dann auch erleben, dass ihre internen Bewerbungen und Änderungswünsche nicht mehr ins Blinde laufen. Neben der offiziellen Bekanntmachung war auch der Flurfunk wichtig: "Es hat sich rumgesprochen, dass man Vertrauen haben kann und dass das System funktioniert." Mittlerweile ist es eine Normalität geworden, einen Antrag auf Versetzung oder Änderung der individuellen Arbeitszeit zu stellen. Niemand hat mehr Bedenken, was unterstellt werden könnte, wenn man aus einer Abteilung weg will. Es gibt viel positives Feedback, das zeigt, dass die Mitarbeiterzufriedenheit gestiegen ist.

Dadurch, dass nun alle bei dem strukturierten Vorgehen mitmachen, hat sich auch die Menge der Möglichkeiten erhöht. Durchschnittlich 100 Versetzungen oder Änderungen der individuellen Arbeitszeit können innerhalb eines Jahres realisiert werden.

Die gefundenen Lösungen gerade bei der Arbeitszeit sind tragfähiger geworden. "In der Krise stehen immer alle zusammen. Wenn jemand vom Partner verlassen wird und auf einmal allein mit den Kindern dasteht und dann nur eine Betreuung für vormittags hat, dann ermöglichen alle in der Abteilung, dass die Person aus dem Schichtwechsel rausgeht und nur noch Frühschicht macht. Nach ein paar Monaten sieht das anders aus - da fangen dann oft die Nachfragen an, ob keine andere Kinderbetreuung gefunden wurde. Nichts gegen Lösungen, die in den Abteilungen gefunden werden. Aber wenn, dann wird so eine Lösung auch festgelegt, als dauerhaftes Arbeitszeitmodell."

Der Arbeitgeber ist mit dem System auch zufrieden: Nicht allein, dass es schnell und transparent funktioniert. Neben der sozialen Grundeinstellung geht es auch darum, die Mitarbeiter an die Klinik zu binden. "Gute Leute lässt man doch nicht weglaufen. Jetzt, wo es schwieriger wird, Fachkräfte zu finden, ist es gut, dass wir unser System der internen Stellenbesetzung haben." Man sehe aber auch, dass die Versetzungsanträge steigen und mehr Eingliederungsfälle da seien. "Da schlägt sich die Altersentwicklung in einzelnen Abteilungen und Berufsgruppen, gerade in der Pflege, nieder."

Ein Allheilmittel soll das interne Versetzungs- und Änderungsverfahren auch nicht sein. Es gibt noch viele weitere Aktivitäten für eine alter(n)sgerechte Gestaltung der Arbeit: Gestaltung der Arbeitsplätze und Arbeitsabläufe, Qualifizierungsmaßnahmen, Gesundheitsangebote. Arbeitgeber und Betriebsrat suchen gemeinsam nach weiteren Lösungen, um für die Beschäftigten das Arbeiten auch mit steigendem Lebensalter leichter oder im Einzelfall überhaupt möglich zu machen.

Plus-Punkte für Gute Arbeit:

*1 Sämtliche Zitate aus dem Betrieb.

Schlagworte zu diesem Beitrag: Aufstiegschancen, Qualifizierungs-/ Entwicklungsmöglichkeiten, Gesundheit, soziale Dienste, Wohlfahrt, Kirchen